INTERVIEW MIT MICHAEL PELZER Miteinander sind wir stärker Einer, der seit vielen Jahren aktive Boden- politik betreibt und beim Planungssympo- sium mit seinem Bericht über die in seiner Heimatgemeinde bereits erfolgreich umge- setzte Strategien einen wertvollen Beitrag zur Wissensvermehrung leistete, ist Ass.jur. Michael Pelzer, Bürgermeister der Gemeinde Weyarn in Bayern. 1993 stand die kleine Gemeinde 30 km südlich von München vor einer denkbar schlechten Ausgangssituation – steigende Grundstückspreise, Spekulationen, Abwan- derung junger Menschen, Infrastruktur- verlust, Verkehrszunahme, Verlust der Ori- entierung, des Selbstwertgefühls und der kulturellen Identität. Aus dieser Resignation heraus fasste man den Mut und den Willen, sich auf Neues einzulassen und entschloss sich, die Zukunft der Gemeinde gemeinsam mit den Bürgern zu planen. „Wir haben uns in einem langen Prozess ein Leitbild gege- ben: Wir wollen ländlicher Raum bleiben. Das ist ein sportliches Leitbild, 30 km von München ländlicher Raum bleiben zu wollen. Sie können sich vorstellen, die Bauträgen stehen regelmäßig Schlange. In einem drei- jährigen Prozess haben wir miteinander überlegt – wo wollen wir denn hin, wer sind wir denn überhaupt und welche Möglichkeiten haben wir?“ so Michael Pelzer im Interview, das Petra Eichlinger führte: Was war die Voraussetzung dafür, dass Sie die Zukunft Ihrer Gemeinde überhaupt selbst in die Hand nehmen konnten? Die Verfügbarkeit über Grund und Boden, denn wenn wir keinen Grund und Boden haben, dann führt das zu Erpressbarkeit. 18 GESTALTE(N) GESTALTE(N) Wenn wir z.B. eine Schule bauen wollen, und wir haben aber dort, wo die Schule definitiv hin gehört, keinen Grund, dann kann der Grundstückseigentümer faktisch jeden Preis verlangen, weil er weiß, dass wir das Grundstück brauchen. Die richtige Schule am falschen Ort ist aber die falsche Schule – das heißt, wenn ich als Gemeinde nicht in der Lage bin, mir Grund und Boden zu beschaffen, dann habe ich auch nicht die Möglichkeit, tatsächlich Ortsent- wicklung zu betreiben. Landwirtschaftlicher Grund – darum geht es. Das heißt, wenn wir also zu der Über- zeugung kommen, dass wir eine Fläche am Rand oder auch mitten im Ort bebauen wollen, dann sind wir folgendermaßen vor- gegangen: Wir haben vom Eigentümer 2/3 der Fläche zum doppelten landwirtschaft- lichen Preis gekauft. Der landwirtschaftli- che Preis bei uns beträgt € 5,-/m2 – der doppelte Preis beträgt also € 10,-. Der Bau- grund kostet € 400 – 500,-/m2. Das andere Drittel verbleibt beim Grundeigentümer. Und jetzt kommt noch was dazu: Es wird vertraglich vereinbart, dass wir als Ge- meinde zwei bis drei Jahre Zeit haben zu entscheiden, ob wir wirklich das Grund- stück baulich nützen wollen. Wenn wir uns innerhalb dieser Frist doch dagegen ent- scheiden, dann wickeln wir wieder zurück ab. Das ist bei uns schon geschehen. Wie wurde diese Vorgehensweise angenommen? Sie können sich vorstellen, dass das anfangs von Seiten der Grundeigentümer ein Auf- stand war, angesichts des Preisunterschie- des von € 10,-/m2 zu € 400-500,-/m2. Wir haben diese Vorgehensweise aber einstim- mig beschlossen, weil wir darin die einzige Chance gesehen haben, unsere jungen Leute bei uns zu halten. Dazu müssen wir aber in der Lage sein, ihnen den Grund zu einem vernünftigen Preis geben zu können. Und das geht nur, wenn wir den Grund selbst billig erwerben. Wir machen all das nicht, um die Grundstückeigentümer zu är- gern oder damit den Gemeindehaushalt zu sanieren, sondern wir verpflichten uns, jeden m2 Grund, den wir auf diese Weise erwerben, im Erbbaurecht für drei Zwecke zur Verfügung zu stellen. Und zwar Bau- land für junge Familien, für infrastrukturelle Maßnahmen wie Schulen, Kindergärten, Sportplätze usw. und für die Ansiedelung von Gewerbebetrieben zur Schaffung von Arbeitsplätzen. Auf wie lange wird das Erbbaurecht festgelegt? Im Erbbaurecht ist es ja so, dass wir Eigen- tümer des Grundes bleiben und der Errich- ter des Hauses ist Eigentümer des Hauses. Damit keiner Angst haben muss, jemals aus diesem Haus raus zu müssen, haben wir dieses Erbbaurecht auf 149 Jahre gesteigert. Der Hintergrund war, dass wir festgestellt haben, dass Höfe nicht länger als 150 Jahre im Besitz einer Familie waren und auch die Lebensdauer der Gebäude diese Zeitspanne nicht überschreitet. Auch Gewerbebetriebe ziehen das Erbbaurecht dem Eigentum vor, weil sie ihre liquiden Mittel nicht einsetzen müssen sondern damit arbeiten können. Was hat das unterm Strich für Ergebnisse gebracht? Das erste Ergebnis war, dass wir unseren Grundstückvorrat in den letzten 24 Jahren um den Faktor 50 erhöht haben, von damals 20.000 m2 auf jetzt ungefähr 500.000 m2. h c s o M e t a n e R i , e h p a r g o t o h P